(1. Teil auf dieser Website veröffentlicht im März 2012)
Von den Sillianer Prozessionen und Prozessionsaltären
Es ist Frühling und die Zeit, in der in den meisten Tiroler Orten Prozessionen stattfinden, so auch in Sillian. „Prozessionen sind Zeugnisse volksfrommen Brauchtums und eng mit der Tiroler Festkultur verbunden.“ Der uralte liturgische Anruf „ vor Blitz undUnwetter schütze uns, o Herr!“ gibt den Sinn dieser Umgänge durch das Dorf wieder[1]. Prozessionstage sind immer besondere Festtage für die Gemeinde. Viele Häuser, besonders die rund um die Pfarrkirche und entlang des Prozessionsweges sowie die öffentlichen Gebäude sind in den Tiroler Farben beflaggt.
Prozession 1948 (Foto Kiniger)
Nach einem Festgottesdienst in der Pfarrkirche trägt der Priester das Allerheiligste unter einem kostbaren Baldachin, - die vier Träger sind mit dunklen Mänteln bekleidet, - durch den Ort. Ursprünglich trugen den sogenannten „Himmel“ die vier Bürgermeister der Seelsorggemeinde Sillian.
Während des Zweiten Weltkrieges durfte die Prozession nicht durch den Markt führen, sondern musste auf die Feldwege nördlich von Sillian ausweichen.
Böllerschüsse und feierliches Glockengeläute kündigen den Beginn der Prozession an, die bis auf wenige notwendig gewordene Abweichungen immer den gleichen Weg von der Kirche in den Markt hinunter und wieder zur Kirche hinauf nimmt. Der Kirchenchor, Ministranten und Erstkommunionkinder, die vor den Prozessionsaltären Blumen streuen, begleiten das Allerheiligste. Unmittelbar dahinter folgen die politischen Vertreter der Gemeinde. Die Schützenkompanie und die Musikkapellen von Sillian und Heinfels in ihren farbenprächtigen Trachten, Traditionsvereine jeweils mit ihren Fahnen, Kinder und viele festlich gestimmte Menschen schließen sich der Prozession an. Auch große Fahnen wie die Bauern-, die Gewerbe-, die Bürgerfahne und die Fahne von Heinfels werden mitgetragen.
Gewerbefahne | Bürgerfahne | Bauernfahne |
Bilder: Archiv Sepp Straganz | Scan: Gerhard Holzer |
Die Fahnenträger mit den Schnürehaltern haben oft große Mühe, die Fahnen gegen den Wind zu steuern.
Im Prozessionszug finden sich auch Statuen, die eine besondere Bedeutung für die Gläubigen haben, wie die barocke Schutzengelstatue und die Herz Jesu Statue, getragen von Burschen und Männern, sowie die Statue der Unbefleckten Empfängnis und die „Bäckermuttergottes“, getragen von Mädchen und Frauen. Die TrägerInnen, meist in schmucke Tracht gekleidet, ergeben zusammen mit vielen Prozessionsteilnehmern ein buntes Bild.
Bäckermuttergottes
Schutzengel
Bilder: Archiv Sepp Straganz, Scans: gerhard Holzer
In Sillian werden drei große Sakramentsprozessionen abgehalten:
die erste ist die Fronleichnamsprozession am 2. Donnerstag nach Pfingsten, gefolgt von der Herz Jesu - Prozession am Herz Jesu Sonntag, dem 3. Sonntag nach Pfingsten. Sie geht auf ein Gelöbnis der Tiroler zur Zeit der Napoleonischen Kriege zurück und wurde früher am Sonntag Nachmittag gehalten.
Die letzte große Prozession findet mitten im Sommer, am 15. August zu Mariä Himmelfahrt, dem Hohen Frauentag und Sillianer Patroziniumsfest, statt.
In früheren Jahren gab es in Sillian auch immer wieder Primizen. In einer feierlichen Prozession trug der Neupriester die Monstranz durch den Ort.
Bild oben: Primiz von Pater Albert Mitteregger, 1936
(Archiv Josef Rauter, Sillian)
Vier Evangelien werden an vier verschiedenen Orten im Markt gehalten. Dazu sind vier Altäre entlang des Prozessionsweges aufgebaut, immer von fleißigen Händen geschmückt: im Frühling mit Tulpen, Narzissen, Flieder und Pfingstrosen und im Sommer in den kräftigen Farben des Hochsommers, zu denen besonders Rosen und Gladiolen zählen.
Der erste Altar befindet sich nach dem Überqueren der Bundesstraße beim „Stauder Kreuz“. Bis Anfang der Sechziger Jahre war die erste Station am Haus Walder Gottfried, vulgo „Stocker“.
Ältere Sillianer können sich auch noch an einen Altar beim alten Haus von Mayr Anton erinnern.
Bei jedem Altar singt der Priester das Evangelium, dann folgen die Fürbitten und der Segen. Bild: Altar Stockerplatz
Die Schützenkompanie schießt eine Ehrensalve, und die Musikkapelle intoniert einen Choral.
Begleitet von getragener Musik und abwechselnd vom Gebet der Teilnehmer zieht die Prozession weiter zum zweiten Altar an der Südfront des Hauses der Familie Ortner, dann zum dritten im Süden des Marktplatzes, heute im Musikpavillon.
Mehr als 100 Jahre besorgte die Familie Kiniger die Gestaltung dieses Altars; der vierte Altar war bis vor einigen Jahren beim Nepomukdenkmal am Marktplatz, musste aber aus verkehrstechnischen Gründen zum Achammerkreuz östlich der Pfarrkirche verlegt werden.
Dort wird das 4. Evangelium gesungen, und mit dem Schlusssegen des Priesters endet die Prozession.
Das Allerheiligste wird unter feierlichem Glockengeläute wieder zurück in die Kirche gebracht - der Prozessionszug löst sich auf.
Bild: Altar im Musikpavillon. (Foto Aloisia Webhofer)
Bittgänge sind kleine Prozessionen, die alljährlich am Markustag, dem 25. April, und an den drei Tagen vor Christi Himmelfahrt stattfinden. Sie folgen einem anderen als dem bekannten Prozessionsweg, ebenso die Erntedankprozession. Dabei gibt es auch keine Evangelienaltäre; am Endpunkt des Bittganges, z.B. in Asthof, Heinfels und Arnbach feiert der Priester mit den Bittgängern eine heilige Messe
Die Palmprozession führte bis vor einigen Jahren von der Elendkapelle zur Pfarrkirche. In den letzten Jahren fand die Palmweihe am Marktplatz statt und die Prozession folgt nun dem verkürzten Weg zur Kirche.
Früher wurde in den Sommermonaten bei ungünstiger Witterung der „Elendvater“ aus der Elendkapelle durch den Ort und die Felder getragen, um gedeihliches Wetter zu erbitten. Viele Sillianer erinnern sich auch noch an die sogenannte „Buibnprozession“ am Schutzengelsonntag Anfang September.
Bild: Dekan Augustin Ortner spendet den Segen. (Foto: Aloisia Webhofer)
Text: Maria Huber-Wanner
Quellen:
[1] http.www.sagen.at.forcher.prozessionen.htm
Interviews mit Josef Rauter, Aloisia Webhofer, Maria Mayr, Gottfried Walder, Stocker.